Die Fotografie kann nicht neu erfunden werden!
Ist das eine neue Erkenntnis, oder ein alter Hut?
Es geht mir in diesem Artikel nicht um die Neuerfindung der Fototechnik, also die Aufnahmetechnik. Diese werden schon aus Not um Umsätze ab und an „neu erfunden“. Es geht mir hier um das Bild, also die fotografische Abbildung. Es geht um die zweidimensionale Abbildung egal ob digital, auf Papier oder auf einem chemischen Foto und um deren Inhalt.
Sprechen wir hier nun über das meiner Meinung nach zentrale Objekt der fotografischen Abbildung seit es die Fotografie gibt: den Menschen. Ein gutes Foto transportiert immer entweder den Charakter eines Menschen, dessen Leidenschaft, sexuelle Ausstrahlung sportliche Leistung oder Eleganz genau so wie auch die Gegenteile dieser Eigenschaften. Ein Mix aus diesen Eigenschaften und ihren Gegenpolen kann ein Bild spannend und erfolgreich machen. Also das Hässliche, das die Schönheit erst zur Geltung bringen kann, die harte Umgebung die das Individuum verletzlich oder erotisch projiziert usw… Die Fotografie lässt genau genommen kein Thema des Lebens aus. Und auch erst wenn sie das macht ist sie vollständig und kann ernst genommen werden.
Natürlich bleibt nicht alles gleich. Es gibt immer wieder neue Stile, Moden und Sichtweisen auf die Themen der Fotografie. Die veränderten gesellschaftslichen Rahmenbedingungen, die technischen Hilfsmittel, und die neuen Medien da möglichen immer wieder andere Sichtweisen und Verhaltensweisen die natürlich auch fotografisch wiedergegeben und in fotografischen Stil umgesetzt werden. Es ist keineswegs langweilig eintönig und immer das gleiche. Ich sehe hier eine sehr starke Analogie zum kreativ avantgardistischen Modedesign. Auch hier werden immer wieder neue gesellschaftliche Gegebenheiten in den Stil der Mode eingearbeitet das veränderte Lebensgefühl der Menschen wird umgesetzt und auch technische Neuerungen werden in der Mode gespiegelt oder kommentiert. Auch hier gibt es immer wieder neue Trends, Sichtweisen und Ansätze.
An diesem Punkt komme ich jetzt aber zu meiner Eingangsthese zurück. Alle diese Stile Stilrichtungen und Zitate die in der Fotografie und in der Mode umgesetzt werden und zu immer wieder neuen Stilen führen, kreisen im Endeffekt doch immer um das eine zentrale Objekt, den Menschen und seine Bedürfnisse Träume und Vorstellungen. Sowie der Mode Designer am Ende des Tages doch wieder den menschlichen Körper zu bedecken und zu gestalten hat, spiegelt die Fotografie in letzter Konsequenz immer wieder die grundlegenden Bedürfnisse, Verhaltensweisen und Träume des Menschen wieder. Dieses zentrale Objekt – der Mensch – seine physische um psychische Beschaffenheit sind vereinfacht gesagt seit circa 200.000 Jahren unverändert.
Diese Erkenntnis macht dieses Genre deswegen nicht langweiliger und man muss auch nicht befürchten in Wiederholungen zu ersticken obwohl bestimmte Elemente immer wiederkehrend sind. Trotzdem denke ich, muss man sich dessen bewusst werden und man sollte auch nicht davor zurückschrecken die alten Themen immer wieder neu aufzugreifen und mit eigenen Worten also Stilmitteln und Gestaltungsebenen neu zu erzählen.
Nicht kopieren, sondern neu erzählen!
(Rüdiger Schestag)